George Maciunas, USA Genozid
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George Maciunas: Der Fluxusmeister
Maciunas war, wie viele andere US-amerikanische Vertreter der Fluxus-Bewegung, ein Cosmopolit, auf den die künstlerische Entwicklung auf dem amerikanischen/europäischen Kontinent faszinierend wirkte. Nachdem seine Bestrebungen, eine Exil-Zeitschrift für zeitgenössische litauische Kunst in New York unter dem Namen „Fluxus“ zu etablieren, gescheitert waren, zog es Maciunas als zivilen Angestellten der US-Army nach West-Deutschland. Seine sowjetfreundliche Haltung, sein Bestreben, neue, anti-kapitalistische Kunstformen zu etablieren sowie die Netzwerke für Neue Musik und Happenings, führten ihn mit Künstlern wie Emmett Williams und Ben Patterson zusammen, die ebenfalls in der US-Army arbeiteten. Als Verleger, Theoretiker und Organisator von ersten Veranstaltungen, die schlussendlich zur Initiation der Kunstbewegung in Deutschland führten, deren Namensgeber er war und die er maßgeblich mitgestaltete.
Maciunas Biografie bietet ohnehin einigen Stoff für Legendenbildungen: Sein früher Tod, seine bewegte Projektentwicklung und seine grundsätzliche Einstellung zur Rolle der Kunst in der Gesellschaft, besonders im Hinblick auf dessen politische Implikationen. 1931 in Kaunas/ Litauen geboren, wuchs er in bewegten Zeiten in einem bildungsbürgerlichen Milieu auf. Als Kind eines Architekten und einer Balletttänzerin flüchtete er mit seinen Eltern 1944 aus Litauen in das nationalsozialistisch beherrschte Deutschland, wo sich die Familie 1947 vorläufig in Bad Nauheim niederließ, bevor sie 1948 in die USA emigrierten. Seit seiner Emigration mit seinen Eltern nach New York studierte Maciunas Kunst und Grafikdesign an der Cooper Union (1949-1952), Architektur und Musik am Carnegie Institut in Pittsburgh (1952-54) und schließlich Kunstgeschichte am Institut of Fine Arts an der Universität New York (1955-1960) mit einem Schwerpunkt auf der Kunstgeschichte Europas und der Sibirischen Kunst der Völkerwanderung. Dort traf er auch mit George Brecht, La Monte Young, Al Hansen, Allan Kaprow und Yoko Ono auf einige spätere Fluxus-Mitstreiter_innen. Mit vielen von ihnen hatte Maciunas gemeinsam, dass seine Biografie von Kriegsereignissen mit anschließender Flucht und Vertreibung geprägt war. So ist es vielleicht erlaubt, seine Beschäftigung mit der Kunst nomadisch lebender Völker als eine Art der Verarbeitung dieser biografischen Erfahrungen zu interpretieren. Das Flüchtige, das Grenzüberschreitende wie auch seine politische Haltung, die für die Fluxus-Kunst durchaus charakteristisch waren, kann man als Reflex auf gesellschaftliche Konventionen verstehen. Seine so genannten Learning Machines (1974) legen davon ebenso Zeugnis ab, wie das Reiskorn, das als maximal portables Kunstwerk von Maciunas mit einem Haar beschriftet wurde. In der Ausstellung ist ein Siebdruck zu sehen, den Maciunas 1969 erstellte. Auf einem Foto von dem Siebdruck USA Surpasses All the Genocide Records! (1966) sind Yoko Ono und John Lennon zu sehen, wie sie als Aktivisten der Friedensbewegung gegen den Vietnam-Krieg und als Zeugen für den Inhalt der in Form der US-amerikanischen Flagge präsentierten Aussage stehen. Maciunas stellt die Kriegshandlungen der US-Armee in Vietnam nicht nur in eine Reihe von Genoziden der Kolonialzeit und des 2. Weltkrieges – er stellt weiterhin fest, dass die USA damit einen traurigen Rekord halten.
Die Arbeit zeugt von Maciunas radikal konstruktivistischer Idee, die er mit den meisten Fluxus-Gefährten teilte. Geschichte, so die Auffassung, kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln gesehen und unterschiedlich interpretiert werden. Die Hoheit über ihre Deutung ist ein Kampfplatz. Am Beispiel von Fluxus machte er sich daran, für die Bewegung eine eigene Kunstgeschichte zu schreiben, auch um den Kritikern eine alternative Kunstgeschichte entgegenzusetzen.